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Letzte Reise eines alten Hofes

 
Ein Luftbild von 1956

Mit der Haushaltsauflösung durch Auktionator Detlef Jentsch wurde am Samstag das letzte Kapitel Familiengeschichte des Spexarder Bauerhofes Holtkamp geschrieben. Wie in einem Taubenschlag ging in dem großzügigen Familienhaus am Bertelsweg zu. Für Sammler und Trödler war es eine Fundgrube.

Pünktlich um 9 Uhr öffneten sich die Türen und die ersten Interessenten machten sich auf die Pirsch. „Heute sind wieder allerhand Stammkunden da.“ Britta Jentsch, die für das Kassieren zuständig war, hatte ihre Mühen im Gedränge den Durchblick zu behalten. An den Fersen von Detlev Jentsch zog die „Meute“ vom Keller bis zur ersten Etage durch das Wohnhaus. Ein Altes Bett von 1787, ein paar alte Truhen oder ein zweihundert Jahre alter Handtuchhalter wechselten den Besitzer. „Früher hätten diese Gegenstände bis zu 6.000 Mark gebracht. So ein gut erhaltenes Bett ist eigentlich ein Traum“, sind für Jentsch die guten Trödelzeiten für antike Bauernmöbel vorbei. Für 50 Euro hat sich Meinolf Brink einen Tisch aus der Gründerzeit ersteigert. Ein paar alte Tonkrüge aus dem Keller nimmt er auch noch mit. „Jetzt habe ich für meinen Schrank den passenden Tisch gefunden“, freut sich Brink über das Schnäppchen. An den Flurwänden werden alte Ofentüren aus Guss abmontiert während im Wohnzimmer und in der Küche die Tische reichlich gedeckt mit Utensilien des täglichen Lebens. Besteck, Porzellan und Haushaltswaren sind im Angebot. Die Anbauküche schnappt sich eine „gute Kundin“ von Jentsch, die erst am späten Vormittag kommt, und per Handschlag begrüßt wird. „Das ist mein Hobby“, gesteht die Dame, die gleich noch das Silberbesteck aus dem 19 Jahrhundert mitnimmt. Die Grippenfiguren gehen für 50 Euro weg und das Porzellanschaf ist für 2 Euro zu haben. Als jemand das Fenster öffnen will wegen der warmem Luft, wird dass sofort wieder geschlossen. „Es gibt Leute die reichen die Dinge sonst durch das Fenster durch und dann sind die weg“, klärt der „Türsteher“ von Jentsch die Damen und Herren auf, die nicht zu den Stammkunden gehören. Damit auch keiner etwas klaut, wird an der Haustür alle genau kontrolliert. Auf den alten Stühlen in der großzügigen Deele ruht sich ein älteres Ehepaar nach der erfolgreichen Trödeljagd noch aus.
Ein gelungener Samstagmorgen war es auch für den Hobby-Sammler Robert Gerlich aus Bielefeld, der sich auf dieser Art von Versteigerungen spezialisiert hat. „Leider sind mir die besten Sachen schon weggeschnappt worden“, berichtet Gerlich, der trotzdem seinen VW Passat mit einigen wertvollen Dingen beladen hat. „Schade, dass in Bielefeld die Straßen glatt waren, sonst wären noch ein paar Bekannte vor mir gekommen.“

Mit dem Tod von Anna Paschedag genannt Holtkamp vor zwei Jahren ist die Familie ausgestorben. Dort wo heute das Elisabeth Hospital steht, stand einst der Bauernhof der Holtkamps, wie sie im Volksmund gerufen wurden. Alle fünf Geschwister blieben ledig. Eine erstmalige Erwähnung findet die Hofstelle mit der alten Hausnummer Spexard 33 in den Hofbeschreibungen des Amtes Reckenberg von 1580. 1971 verkauften die drei überlebenden Schwestern das Hofareal mit 55.000 Quadratmetern durch Vermittlung des in Gütersloh hoch angesehenen Arztes Dr. Hermann Jaspers an die katholische Kirchengemeinde Pankratius für den Neubau des Elisabeth-Hospitals und zogen in ein neuerbautes Wohnhaus am nahegelegen Bertelsweg. Aufgeteilt werden die Erlöse aus der Versteigerung, der bereits verkauften Immobilie und einiger Ländereien unter den 67 Erben, die nach langer Nachforschung ermittelt worden sind, weil kein Testament vorlag.



Letzte Änderung: 14. Februar 2006