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Kriegsende in Spexard 1945

 
Paul Becker erinnert sich an die Geschehnisse im April 1945

Die ersten amerikanischen Panzer näherten sich über die Reichsautobahn Spexard. Es war am Karsamstag, 31. März 1945, gegen 18 Uhr. Paul Becker kann sich noch gut daran erinnern. »Die Kolonne schoss seitlich in die Büsche. Egal, ob da etwas war«, berichtet der Landwirt.

Der Hof der Beckers liegt nur wenige hundert Meter von der A 2 entfernt - am heutigen Plümersweg in Gütersloh. Paul Becker war 13 Jahre alt, als die Amerikaner über die Autobahn anrollten und sich der Krieg dem Ende zuneigte. Seine Eltern Heinrich und Gertrud hatten erste Vorkehrungen bereits getroffen. »Es wurde die weiße Fahne gehisst. Sie bestand aus Bettlaken«, erinnert sich der Spexarder. Schmuck und andere Wertgegenstände wurden in Einmachgläsern verstaut und im Garten vergraben - aus Angst vor Plünderern.

Mulmig wurde den Beckers, weil sie noch ein Jagdgewehr des benachbarten Bauern Determeyer in ihrem Besitz hatten. Waffen waren zuvor vom Volkssturm eingesammelt und an Bürger ausgegeben worden. »Das Gewehr hat mein Vater am Folgetag sofort zurückgebracht«, erinnert sich Paul Becker noch ganz genau.

Auf der Flucht vor den Amerikanern war ein deutscher Funkwagen. Die deutschen Soldaten kamen über die Reichsautobahn und sprangen in der Nähe des Bauernhofes plötzlich von dem Pferdefuhrwerk ab. »Abends tauchten sie dann wieder auf und holten die Tiere, die sie bei uns unterstellten. Eines der Pferde haben wir dann lange behalten«, erzählt der Landwirt.

Um Anschläge zu vermeiden, bewachten die Alliierten später die Autobahnbrücken. So auch die Brücke, durch die der Wiedeybach fließt. »Irgendwann kam ein belgischer Offizier und meinte, wir müssten den Hof deshalb verlassen. Wie bräuchten nichts abschließen, es würde nichts passieren.« Beckers wurden in der Nachbarschaft untergebracht, durften aber zum Melken auf den Hof kommen. Als sie nach mehreren Tagen zurück in ihr Haus durften, hatten sich die Belgier munter aus den Schränken bedient. »Alles in allem«, sagt Paul Becker, »beruhigte sich die Situation hier sehr schnell. Auch wenn ich als Junge anfangs natürlich Angst hatte.«

Einige Kilometer weiter sah das schon anders aus. Wie aus der Festschrift »900 Jahre Spexard« hervorgeht, schossen in Höhe der Autobahnauffahrt Verler Straße SS-Männer mit einer Panzerfaust auf die vorrückenden Panzer. Die Folge war weitläufiger Beschuss durch die Amerikaner, wodurch ein Wohnhaus vollständig zerstört wurde. Bei den SS-Leuten tat sich ein Gütersloher besonders hervor. Er drohte Anliegern der Verler Straße mit Erschießen, wenn sie es wagen sollten, ein weißes Tuch aus dem Fenster zu hängen. Auf der Neuenkirchener Straße tasteten sich am Ostersonntag, 1. April, Panzerspähwagen aus Wiedenbrück-Varensell kommend vor. Deutsche Soldatengruppen lagen in Wäldern vor der Autobahnbrücke und schossen mit Panzerfäusten und Maschinengewehren. Die Amerikaner zogen sich vorerst zurück. Die Wehrmachtsverbände verschwanden dann einen Tag später, am 2. April, in östliche Richtung, und die Volkssturmeinheiten lösten sich stillschweigend auf. Von einem Parlamentär verständigt rückten die Amerikaner in Spexard und damit auch in Gütersloh ein. Der Krieg war zu Ende.
Panzer-Unfall

Die Festschrift »900 Jahre Spexard« beschreibt auch das Schicksal des ehemaligen Gemeindevorstehers Wilhelm Küster, der am Dienstag, 3. April 1945, auf tragische Weise tödlich verunglückte, als er mit dem Fahrrad zum Brot holen fuhr. Auf der Verler Straße geriet er nach Augenzeugenberichten zwischen zwei sich begegnenden Panzern und wurde dabei tödlich verletzt. Die Besatzung des Panzers wickelte den Toten in eine Zeltbahn und nahm ihn mit. Das lange Warten und Suchen der Angehörigen wurde beendet, als nach zwei Tagen ein englisches Rotkreuz-Fahrzeug auf dem Hofe Küster vorfuhr und die Nachricht überbrachte, dass der Tote mit anderen Kriegstoten im Gebäude des Bahnhofs Kracks liege und dort abgeholt werden könne.
Am nächsten Tag sollten die Toten in einem Massengrab beigesetzt werden. Durch eine Einladungskarte der Oelbach-Genossenschaft in Spexard war die Identität des Toten, welcher sonst wohl nicht in heimischer Erde hätte bestattet werden können, festgestellt worden.
Viel Sorge bereiteten den Spexardern in der Nachkriegszeit marodierende Fremdarbeiter sowie freigelassene russische und polnische Kriegsgefangene. Die Ordnung wurde von der britischen Militärpolizei aufrechterhalten, die aber meist zu spät kam. Nicht jeder Deutsche hatte sich zuvor den Fremdarbeitern gegenüber angemessen und menschlich verhalten. So wollten sie ihren Rachegelüsten, ihrer Wut und ihrem Hass Befriedigung verschaffen. In den Bauerschaften entwickelte sich ein Warnsystem. Ältere Männer und Kinder machten mit Handsirenen, Hörnern und anderen Geräten einen derartigen Krach, dass die anrückenden Marodeure sowie die bedrohten deutschen Hofbewohner gewarnt wurden. Die konnten flüchten und sich verstecken, die anderen wurden irritiert und fühlten sich nicht mehr so sicher.



Letzte Änderung: 9. Mai 2005