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Der Marsch zum Glauben

 

Ob Christen, Muslime oder Juden, viele Gläubige sehen in der Wallfahrt einen Akt der Ergebenheit und zugleich einen Höhepunkt ihres religiösen Lebens. Die Ziele heißen Mekka, Jerusalem oder Lourdes. Für rund zwei Dutzend Gläubige aus Gütersloh ist es die Basilika Vierzehnheiligen in Nordbayern.

Seit 1979 fahren die Pilger jedes Jahr am Sonntag vor Christi Himmelfahrt zunächst nach Simmershausen in der hessischen Rhön, der Partnergemeinde von Spexard. Von dort geht es auf einem viertägigen 100 Kilometer langen Marsch zu der Basilika in Bad Staffelstein am Main. "Es zieht einen richtig in den Bann wenn man einmal mitgelaufen ist", sagt Marlies Drücker, die mit ihrem Ehemann Heinz die Pilgerfahrten organisiert und jetzt zum 17. Mal mit von der Partie ist.

Die Wanderung lässt sich bis 1635 zurückverfolgen. Damals machten die Pest und die Hungersnot den Menschen in der kargen Rhön zu schaffen. Seit dieser Zeit zieht es die Menschen aus Simmershausen jährlich nach Vierzehnheiligen. Die Pilger aus Spexard sind seit 27 Jahren dabei - Günter Feuerborn und Wilfried Jacobfeuerborn waren die ersten. Bereits zwei Jahre zuvor landeten die beiden durch einen Zufall mit ihren Familien im kleinen Rhöndorf nahe dem ehemaligen Todesstreifen zur DDR. "Wir wollten einfach einen kleinen Abstecher in das Mittelgebirge machen mit unseren neuen Autos", erzählt Günter Feuerborn von seinem ersten Urlaub in Simmershausen.

In der Gaststätte "Zur Krone" wurde übernachtet und der Wirt Wolfgang Glotzbach wurde schnell ein echter Freund der Spexarder. Aus einer Laune heraus beschlossen die drei dann, an der Pilgerwallfahrt nach Vierzehnheiligen teilzunehmen, und am 20. Mai 1979 wurde die erste Wallfahrt in Angriff genommen. Es war sozusagen die Geburtsstunde der jährlichen Wallfahrten der Spexarder. Später wurde in Spexard ein Rhönclub gegründet, und viele Freundschaften entstanden. Spexard und das kleine Simmershausen mit seinen 500 Einwohnern wurden Partnergemeinden und die Teilnehmer aus Gütersloh und Umgebung stieg von Jahr zu Jahr. Als im November 1989 die deutsch-deutsche Grenze niedergerissen wurde, war Günter Feuerborn mit dem hiesigen Ortsvorsteher Heribert Stumpf beim historischen Moment dabei. Das Wallfahren hat Günter Feuerborn allerdings 2003 an den Nagel gehängt. "Ich bin immerhin 16 Mal dabei gewesen", sagt Feuerborn. "Es würde mich freuen, wenn viele junge Menschen mitgehen würden und sich dafür begeistern könnten." Eine besondere Wallfahrt war die von 1994. Damals machten sich Günter Feuerborn, Günter Westerbarkei und Heinz Drücker in Spexard auf und gingen zu Fuß nach Simmerhausen, anschließend absolvierten sie noch die Wallfahrt.
Die 21 Pilger, die sich am vergangenen Sonntag auf den Weg gemacht haben, sind bestens vorbereitet. Es wurden Übungsmärsche unternommen und geistlichen Beistand haben die Spexarder auch. Seit 1996 läuft Martin Beisler, einst Vikar in St.-Bruder-Konrad und heute Pastor in Langenberg, mit.

Auf der Wallfahrt, die von mehreren hundert Menschen aus ganz Deutschland begangen wird, werden Lieder gesungen und der Glaube zu Gott gefestigt. Blasen an den Füßen werden vergessen und alle lassen sich von der Gruppen-Atmosphäre mitziehen. Übernachtet wird in Gasthöfen, Pensionen oder bei Privatleuten. "In den Orten, wo wir am Abend einziehen bieten die Bewohner kostenlose Zimmer zur Übernachtung an. Das ist so Tradition", erzählt Marlies Dücker, die ebenfalls vom Bazillus Vierzehnheiligen angesteckt ist. In der Basilika Vierzehnheiligen wird die Wallfahrt mit der Lichterprozession beendet. Und heute Nachmittag werden die Spexarder Wallfahrer nach einem Festgottesdienst zurückkehren - mit Autos.



Letzte Änderung: 26. Juni 2007