Karwoche 1945: Im Karnickelbusch in Spexard

 
Joseph Wülfinghoff (1890 - 1957)

Hier standen an einem Stichweg vom Mühlenweg her unweit der heutigen Linteler Str. das kleine Behelfsheim von Joseph Wülfinghoff (geb. 1890), Schnapsvertreter der Brennerei Spexard, der dort zu dieser Zeit dauernd mit seiner Frau wohnte. Ein Stück weiter die etwas später etwa im Febr. 1945 errichtete Doppelbarracke mit Nebengebäude von Hermann Nordmann (geb. 1900). Beide waren als Ausweichquartier wegen der Luftangriffe gebaut worden. Die ganze Familie Nordmann – insgesamt 6 Personen – wohnte nur bei Kriegsende dort. Ihr Haus Parkstraße 26 war bei dem Luftangriff am 3. März 1945 [lt. Herrmann] zerstört worden und man war zunächst in anderen Ausweichquartieren gewesen. Die Tochter Margarete (geb. 1934) war an den nachfolgend geschilderten Ereignissen daher ganz nah dran und hat sie mir nun erzählt: An einem Nachmittag in der Karwoche sahen Wülfinghoff und Nordmann, wie ein junger Offizier und ein Gefreiter mit einem Bollerwagen auf dem angrenzenden Mühlenweg Richtung Autobahn gingen. Auf Nachfrage erklärten die beiden, dass sie Panzer „knacken“ wollten. Die Amerikaner waren zu diesem Zeitpunkt nicht mehr weit entfernt. Entschlossen handelten Wülfinghoff und Nordmann. Sie erklärten den beiden Soldaten, daß das Vorhaben im Hellen nicht ginge und sie doch erst mal hereinkommen sollten. Man bot Schnaps an und es gelang, das Vorhaben der beiden zu vereiteln, indem man sie, teilweise abwechselnd, total betrunken machte. Der jeweils draußen war, versteckte die Sprengmittel aus dem Bollerwagens erst mal auch unter dem Behelfsheim.

 
Hermann Nordmann 1900-1962

Zum Schluss wurden die beiden kampfunfähigen Soldaten nach Hause geschickt. Den jungen Offizier nach Gütersloh mit einem schönen Gruß an seine Nordmann wohlbekannten Eltern. Dem Gefreiten aus Ahlen empfahl man, sich doch entlang der Autobahn nach Hause durchzuschlagen und gab ihm auch Zivilsachen. Nachdem die Amerikaner dann später da waren - ihre Panzer sind über den Mühlenweg am Ostersonntag (?) nach Gütersloh gerollt - wurde im Nebengebäude der Baracke Nordmann das „Kriegsende“ hier mit einem großen Besäufnis gefeiert, während die Mutter Elisabeth geb. Meyer (geb. 1904) dieses gegenüber den Kindern und Fremden „abschirmte“. Schnaps hatte man sich zuvor reichlich aus der Brennerei besorgt, da die Bestände dort weg mussten.

 
Diese Hofkarte von 1947 zeigt den damaligen Karnickelbusch – heute an der Linteler Straße in Spexard

Sie erzählte auch, dass man am Rand des Mühlenweges im Karnickelbusch viele weggeworfene Parteiabzeichen liegen sehen konnte und dass ihr Bruder Werner (geb. 1931) in ihrer Gegenwart am Spätnachmittag des Karsamstags vom Vater zurechtgewiesen wurde, als er diese aufsammeln wollte. Später wohnten in beiden Unterkünften Flüchtlinge, in dem von Wülfinghoff wohnte dann lange Vinzenz Spexard, Vetter meines Vaters aus Niederschlesien, mit seiner Familie und betrieb dort seine Hühnerzucht. Die Erzählerin Margarete Naarmann geb. Nordemann, gründete eine Familie und man baute später ein Haus unweit des Karnickelbusches in der Siedlung. Sie lebt heute noch dort.
Der Bauer Martin Stükerjürgen bestätigte mir jetzt Erzählungen seiner Mutter, dass man vor dem Einmarsch der Amerikaner im Karnickelbusch deutsche Soldaten besoffen gemacht hätte, um Unheil zu verhüten. Bernhard Spexard, im Juni 2020.



Letzte Änderung: 29. Januar 2021